Liebe Leser*innen,
uns hat ein neuer offener Brief von Balu aus der JVA Moabit erreicht, den wir euch keinesfalls vorenthalten wollen.
Trotz der Situation, von einem auf den anderen Tag weggeknastet worden zu sein, scheint Balu inzwischen einigermaßen gut mit dem Knastalltag zurecht zu kommen…
Auch – und das ist noch einmal die dringende Bitte von uns an euch – weil er nicht im Knast vergessen wird und ihn unsere Post erreicht!
Also schreibt Balu (und natürlich auch Aaron) weiter und durchbrecht so die Mauern des Knasts. Natürlich sind auch weiterhin sowohl Soli-Aktionen, als
auch (dringend!) Spenden nötig, um der Repression zu begegnen. Infos hierzu findet ihr hier.
Soli-Grüße
Schwarz-Rote-Hilfe Münster
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Berlin, 15.8.16
Liebe Menschen in und um Münster,
heute sind ziemlich viele Postkarten, soweit ich weiß aus der Baracke
bei mir angekommen.* Nicht nur wegen der schäbigen „Münster-Motive“
musste ich ziemlich lachen. Wohl oder übel habe ich gestern mein
Jubiläum gefeiert und so wie es aussieht, kommen noch ein paar dazu.Das
klingt jetzt erstmal scheiße, aber ehrlich gesagt kann ich darüber
lachen. Wie ihr vielleicht schon gehört habt, kriegt mich der Knast
nicht klein, und wir machen es uns hier so „gemütlich“ wie möglich.
Gemütlich machen es Aaron und mir vor allem die Briefe, Postkarten und
Soliaktionen über die wir bestens informiert werden. Auch von der Demo
haben wir Berichte bekommen und ich hoffe, das ihr euch von der
Repression nicht kaputt machen lasst. Soligrüße aus Moabit gehen vor
allem deshalb besonders an die Menschen, die in Münster kriminalisiert
und in ihrem Leben angegriffen werden. Ich bin überzeugt, daß ihr das
schafft und diese Scheiße bald vorbei ist. Dann können wir den Staat
gemeinsam auslachen.
Dafür das er so viel Angst hat, daß er versucht einzelne Menschen aus
dem Leben zu reißen weil er sich nicht anders zu helfen weiß. Weil der
Kampf immer wieder Wirkung erzielt und er nicht anders kann als völlig
auszurasten. Und nicht zuletzt, weil er in Hierachien denkt und eine
solidarische Gemeinschaft niemals fassen kann.
Überall, wo Menschen wir ihr euer Unverständnis und eure Ablehnung
gegenüber dem Bestehenden äußert (in welcher Form auch immer), motiviert
ihr andere und schafft ihr es, ein wenig Durcheinander in die, ach so
gehütete, Ornung zu bringen! Nichts ist umsonst!
So, jetzt aber genug der geschwollenen Reden ;p, auch wenn das immer
guttut sich selbst das ganze vor Augen zu führen.
Weil ich gerade „vor Ort“ bin, will ich euch einen kleinen Einblick
geben, über das was hier so läuft.
Weil scheinbar Sommerferien sind, leidet Moabit unter Personalmangel,
weshalb unsere Aufschlusszeiten immer gekürzt werden. Am Wochenende
waren wir nur knapp 1,5 Stunden ausserhalb der Zelle und hatten seit
Mittwoch keine Gelegenheit zu duschen. Auch heute, so wie an 3/5 Tagen
in der letzten Woche ist der Zellenumschluss gestrichen. Aber auch das
ist Gewöhnungsache und nervt nicht mehr so wie noch vor 2 Wochen.
Dazu habe ich gestern erfahren, das mich der Knast, Zitat “ auf das
Leben draussen vorbereiten“ soll, wo ich mir ein ungläubiges Lachen und
eine kleine Diskussion nicht verkneifen konnte. Eigentlich hatte ich das
Gefühl gut karzukommen als ich draussen war, aber vielleicht wissen sie
es ja besser? Auch eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des
Strafsystems endete in der Feststellung dass wir hier „getrimmt“ werden
sollen, und das der Job „eigentlich Spaß macht“. Viel mehr als ein
Lachen blieb mir auch da nicht übrig.
Was aber besonders hier im Knast deutlich wird ist, daß
selbstverständlich alle Menschen alles verstehen und lernen können, auch
wenn die Gesellschaft und das Bildungssystem immer so tun, als wären
Menschen quasi von „Natur aus“ schlauer, doofer, fähig, oder unfähig,
usw. Hier variieren nur die Wege, wie Menschen verstehen und lernen,
aber möglich ist alles. Mit Diskussionen auf Augenhöhe und Rücksicht!
Sogar die in Münster so beliebten Redeverhaltensregeln mit ihren
Handzeichen halten langsam Einzug in der JVA Moabit!
In diesem Sinne bin ich beeindruckt von all der Solidarität und freue
mich bald wieder im „spießigen-Postkarten-Münster“ zu sein. Ich peil mal
spätestens Sylvester an
Grüße in alle Runden und an alle!
Dankbar, Balu
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* Die Postkarten auf die sich Balu bezieht, sind von zahlreichen solidarischen Menschen bei den letzten beiden Antirepressionsveranstaltungen in der Baracke geschrieben und dann in die JVA Moabit geschickt worden. Eine schöne Idee, die gerne auch andere Veranstalter*innen aufgreifen können!